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Restaurant „Remi“ in Berlin: Überraschend unprätentiös - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Was hier vorher stand? Man hat es schon vergessen. Der neue Eckbau in Berlin-Mitte vom Architekten Roger Bundschuh, in dem im vergangenen Jahr der Suhrkamp Verlag eingezogen ist, scheint schon immer da gewesen zu sein, so sicher behauptet er sich in seiner Umgebung. Wer als Passant an den großen Glasfassaden vorbei spaziert, kann von der stark befahrenen Torstraße durch das Gebäude hindurch gen Rosa-Luxemburg-Platz und Volksbühne blicken – und seit kurzem auch die Menschen im Inneren zwischen Sichtbeton und dänischem Mobiliar bei Speis und Trank beobachten.

Neben dem berühmten deutschen Verlagshaus gibt es nämlich jetzt einen Mieter: Im Erdgeschoss hat gerade das Restaurant Remi eröffnet. Es ist das zweite Lokal von Lode van Zuylen und Stijn Remi in der Hauptstadt. Vereinzelt klappern noch die Teller. Gerade ist der Lunchbetrieb zu Ende gegangen und der Namensgeber kommt für einen Plausch an den Tisch, während die Gäste draußen auf der dem ruhigeren Platz zugewandten Seite ihren Kaffee auf der Sonnenterrasse schlürfen. Remi sagt: „Für uns beginnt hier ein neues Kapitel.“

Ehrliche, moderne Küche

2016 eröffnen die holländischen Gastronomen Remi und van Zuylen das Lode & Stijn in Berlin-Kreuzberg unweit des Landwehrkanals eines dieser „Casual Fine Dining“-Restaurants, die den Bezirk in den vergangenen Jahren kulinarisch aufgewertet haben – und das sogar ohne dass sie Schmähgedichte von den Gentrifizierungsgegnern der Nachbarschaft an die Hauswand gesprayt bekommen.

Die Küche im Lode & Stijn schmeckt den Gästen, weil sie ehrlich, modern, aber auch zeitlos ist, dazu smart und überraschend. Ein Anspruch, den ja auch Suhrkamp an seine Bücher stellt und vielleicht ein Grund, warum Suhrkamp-Direktor Jonathan Landgrebe, der dort einmal dinierte, so begeistert ist, dass er Remi und van Zuylen 2018 fragte, ob sie nicht ein Lokal im neuen Verlagshaus eröffnen wollen.

Haben gerade ihr zweites Restaurant in Berlin eröffnet: Lode van Zuylen und Stijn Remi

Haben gerade ihr zweites Restaurant in Berlin eröffnet: Lode van Zuylen und Stijn Remi : Bild: Robert Rieger

Remi und van Zuylen hatten ohnehin mit dem Gedanken gespielt, eine Gastro-Familie zu gründen. Der Vorschlag kommt daher wie gerufen. Da die beiden auch eine Bäckerei eröffnen wollen, die dann Van Zuylen heißt, denn der Namensgeber stammt aus einer uralten holländischen Bäckerdynastie (schon das Lode & Stijn verlässt keiner ohne sein Brot gegessen zu haben), bleibt für das zweite Restaurant, der Brüderlichkeit halber und weil es international klingt, der Name: Remi.

Landgrebe hat sich damit ein Lokal an den Arbeitsplatz geholt, das, wenn es gut läuft, eine neue Instanz für den Literaturbetrieb der Hauptstadt als auch seiner sympathisierenden Szene werden könnte. Und obendrein eine Kantine für Mitarbeiter, Autoren, die gesamte Nachbarschaft und für Landgrebe selbst, in der es mittags Lunch und abends Dinner gibt und zu jeder Zeit Drinks.

Die Zutaten sind stets saisonal

„Das Arbeiten ist wichtig für dich.  / … Zumal du essen mußt wie jeder Mensch… und trinken“, lauten da treffend die ersten Zeilen von Rainer Werner Fassbinders „Das Kaffeehaus" (nach Goldoni), so im Band 560 der Edition Suhrkamp, der gut hier im Regal neben den anderen kleinen bunten Taschenbüchern der Reihe stehen könnte, die als literarischer Regenbogen über das ansonsten eher minimalistische Interieur strahlen, das in Zusammenarbeit mit Ester Bruzkus Architekten entstanden ist.

Apropos Kaffeehaus: Die offene Küche mit einer Bar aus rotem Quarzit, dazu Lochblech, gefärbte MDF-Platten und helle Holzstühle soll wie das kulinarische Konzept tatsächlich eine moderne Interpretation der Grands Cafés der holländischen Heimat sein. Im Süden der Niederlande, in ’s-Hertogenbosch, wo Remi und van Zuylen herkommen, findet man wegen des burgundischen Einflusses der Gegend davon nämlich so einige.

Im Kaffeehaus Remi wird neben einem wechselnden Lunch-Angebot abends à la Carte gespeist. Aus je drei warmen und kalten Entrees, Hauptgerichten und Desserts lässt sich aber auch ein 4-Gänge-Menü zusammenstellen. Für die Beschaffung der stets saisonalen Zutaten arbeiten Remi und van Zuylen mit regionalen Manufakturen und Händlern genauso wie mit holländischen und setzen auf ihr bereits bewährtes Netzwerk. Momentan stehen auf der Karte etwa gebeizter Saibling mit Gurke und Kapuzinerkresse, Porchetta mit Blaubeeren und Radicchio oder Gnocchi mit Austernpilzen und Molke Sauce.

„Die wilde Minze explodiert im Mund“

Wie eigentlich schon im Lode & Stijn soll es auch hier im modernen Kaffeehaus unprätentiös zugehen. Remi sagt: „Das Produkt wird immer zu schmecken sein.“ Was das bedeutet, lässt sich bestens am sommerlichen Salat mit Bohnen, Minze und Liebstöckel erkunden. Der sieht auf den ersten Blick wirklich überraschend unprätentiös aus, wie die Unschuld vom Lande. Aber: „Die wilde Minze explodiert im Mund“, sagt Remi. Hier trifft endlich mal zu, was Gertrude Stein in einem Gedicht über Salat schreibt: „It’s a winning cake.“

Eher schlechten als rechten Kaffee gab es im Kaffeehaus bei Fassbinder und Goldoni fortwährend, im Remi ist er wie die Speisen ein Gewinner: In der hochsommerlichen Eröffnungswoche kam er auf Eis und mit einer erfrischenden Zitrusnote daher. Oder gleich als Espresso Tonic. Der könnte sowas wie der Signature Drink zeitgenössischer Schriftsteller werden, weil er den Stereotyp des manisch schreibenden Alkoholikergenies genauso bedient wie den des hellwachen Leistungsautoren.

Ob es an den Drinks liegt, den Speisen oder dem literarischen Esprit, der hier im Remi gebündelt zusammen kommt: Das Restaurant war jedenfalls gleich zum Auftakt schon täglich gut besucht – und ein schöner Anfang zählt in der Gastronomie bekanntlich genauso viel wie in der Literatur. In Deutschland wurde als schönster Anfang übrigens mal „Der Butt“ von Günter Grass ausgezeichnet. Dessen erster Satz lautet: „Ilsebill salzte nach.“ Im Remi hätte sie das nicht gemusst.




September 06, 2020 at 12:06AM
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