Im Rundfunkstreit und der dadurch ausgelösten Regierungskrise steht Sachsen-Anhalt eine Woche der Entscheidung bevor. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat seinen Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) entlassen, weil dieser in einem nicht abgesprochenen Interview den Koalitionsbruch und eine Minderheitsregierung ins Spiel gebracht hatte. Inzwischen hat Stahlknecht auch seinen Rücktritt als Landesvorsitzender angekündigt. In der Frage, ob die Rundfunkgebühr erhöht werden soll, liegen CDU, SPD und Grüne nach wie vor weit auseinander. Wie geht es weiter in Magdeburg? Drei mögliche Szenarien.
1. Der Ministerpräsident stellt im Landtag die Vertrauensfrage
Mit der Entlassung seines illoyalen Innenministers hat Reiner Haseloff intern die Machtfrage geklärt - vorerst. Denn die Partei ist weiterhin gespalten. Längst nicht alle Christdemokraten sind mit dem Rauswurf Stahlknechts einverstanden. Der CDU-Landesverband in Sachsen-Anhalt ist bundesweit der wohl konservativste. Immer wieder sind Landtagsabgeordnete durch inhaltliche Nähe zur AfD aufgefallen, haben laut über eine Minderheitsregierung nachgedacht. Haseloff gilt als verlässlicher Verhinderer schwarz-blauer Annäherungsversuche. Will er die Kenia-Koalition als "Bollwerk gegen rechts" erhalten, muss er die Reihen schließen.
Als probates (und letztes) Mittel gilt die Vertrauensfrage. Um im Amt zu bleiben, bräuchte Haseloff im Magdeburger Landtag die Mehrheit der Stimmen, also die Unterstützung von mindestens 44 der 87 Abgeordneten. CDU, SPD und Grüne haben zusammengenommen 46 Stimmen. Nur zwei Koalitionsmitglieder dürften gegen ihn votieren. Es sei denn, er erhielte auch Stimmen aus dem Lager der Linken.
Haseloff ist ein beliebter Ministerpräsident. Er soll die CDU als Spitzenkandidat in die Landtagswahl führen. Er könnte darauf spekulieren, dass die Koalitionsfraktionen bei aller Zerstrittenheit nicht so weit gehen, mitten in der Pandemie den Regierungschef zu stürzen. Andernfalls müsste der Landtag einen Nachfolger wählen oder es kommt zu Neuwahlen. Die Abgeordneten könnten auch selbst ein konstruktives Misstrauensvotum beantragen. Dafür muss mindestens ein Viertel der Landtagsabgeordneten stimmen.
2. Die Koalition zerbricht
Auch nach der Entlassung Holger Stahlknechts hat die CDU klargemacht, dass sie eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent weiter ablehnt - genauso wie die AfD. SPD und Grüne bestehen darauf, dass der Staatsvertrag noch in diesem Jahr ratifiziert wird. Auch Haseloff hat diesen unterschrieben, aber er hat die Renitenz der eigenen Fraktion unterschätzt. Nun setzt der Ministerpräsident alles daran, eine schwarz-blaue Stimmgemeinschaft zu verhindern und die Koalition zu erhalten - gegen Widerstand aus den eigenen Reihen.
Am kommenden Mittwoch tagt der Medienausschuss des Landtages. Es wird eine Beschlussempfehlung für die finale Abstimmung am 15. Dezember erwartet. Die CDU hat nach einem Vorstoß aus der Staatskanzlei angekündigt, die Abstimmung aussetzen und die Erhöhung erneut prüfen zu wollen, weil diese noch vor der Corona-Pandemie festgesetzt worden sei. Eine schwarz-blaue Mehrheit wäre damit abgewendet, aber der Staatsvertrag blockiert. SPD und Grüne haben auch für diesen Fall mit dem Ende der Koalition gedroht. Bewegt sich die CDU nicht, könnten die Juniorpartner Ernst machen und ihre drei Ministerinnen und Minister aus dem Kabinett abziehen. Die Folge wäre dann tatsächlich eine Minderheitsregierung.
Auch der Ministerpräsident selbst kann laut Landesverfassung Minister entlassen. So wie die Aufgaben des geschassten CDU-Landeschefs Stahlknecht nun zunächst vom Generalsekretär und den Partei-Vizes übernommen werden, könnten CDU-Kabinettsmitglieder die verwaisten Ressorts von SPD und Grünen mitbetreuen. Eine Minderheitsregierung unter CDU-Führung müsste sich für jedes Vorhaben Mehrheiten im Landtag suchen - zuallererst bei den verprellten ehemaligen Koalitionspartnern. Schwer vorstellbar, dass eine solche Konstellation dauerhaft ohne Unterstützung der AfD auskäme, die der CDU bereits ihre Aufwartung gemacht hat: "Eine denkbare und tragbare Alternative" nennt der medienpolitische Sprecher und Fraktions-Vize der AfD ein solches Szenario.
3. Die Koalitionspartner einigen sich doch noch
Die Entlassung Stahlknechts ist von SPD und Grünen wohlwollend aufgenommen worden. Haseloffs Durchgreifen wird als Zeichen klarer Haltung gegen die AfD und Bekenntnis zur Koalition gewertet. Beide Parteien haben in den vergangenen Tagen Lösungsvorschläge unterbreitet. Die Sozialdemokraten haben angeregt, einer Erhöhung des Rundfunkbeitrages zuzustimmen, parallel dazu in einem Entschließungsantrag erforderliche Reformen festzuschreiben. Auch die Grünen wollen den Vertrag beschließen, aber die künftige Höhe des Rundfunkbeitrags erst Mitte 2021 in Kraft setzen, um Raum für Nachverhandlungen zu lassen. Bislang gibt es jedoch keine Anzeichen, dass die CDU von ihrer Haltung abrückt. Zu Beginn der kommenden Woche soll in den Parteigremien weiterverhandelt werden.
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